Unser Grundverständnis Individuelles Geschichtsbewusstsein und kollektive Identitäten sind eine verlässliche Grundlage für nachhaltige Gegenwarts- und Zukunftsorientierungen. Das gilt besonders in einer ‚aufgelösten’ pluralen Einwanderungsgesellschaft, die schnell reflexhaft ängstlich um den Verlust verbindlicher und verbindender kultureller Werte bangt. Jenseits jeder parteipolitischen Orientierung gibt historische Verankerung integrative Orientierung und stabilisierende Identität in Krisenverläufen. Gefährdete Werte und vertraute
Substanz werden oft durch bürgerschaftliches Engagement in
Initiativen und Ehrenämtern bewahrt, zukunftsorientiert gesichert
und der Öffentlichkeit vermittelt. Das gilt insbesondere für die
vielschichtige und nicht selten unbequeme historische Baukultur.
Altes und Unansehnliches fällt für vermeintlich Attraktiveres oder
Profitableres schnell der Abrissbirne zum Opfer.
Wachstumsideologisches Denken zerstört bereitwillig gewachsene
kleinteilige Strukturen. Doch mit jedem Objekt, das der dörflichen
und ländlichen Kulturlandschaft verloren geht, verliert der Mensch
möglicherweise einen notwendigen Ankerpunkt seiner regionalen
historischen Identität. Sich schützend vor gefährdete ländliche
Baukultur zu stellen, ist aktive geschichtskulturelle Positionierung,
das Erbe anzunehmen. Problemorientierung / Bedarfsanalyse Die Kulturlandschaft des Münsterlandes ist voller geschichtsgesättigter Kleinode, ‚Stolpersteine’ und Ankerpunkte. Es ist Zeit, aus dem Schatten einengender Etikettierungen, wie z.B. „BurgenLand“, herauszutreten und Stadt und Land multiperspektivisch zu profilieren und nicht zuletzt auch Kulturgelder breiter zu streuen. Tatsächlich verdankt das Münsterland seine Attraktivität der noch relativ intakten Parklandschaft mit markanten historischen Einzelgehöften und der vorhandenen historischen Baukultur in den Dörfern und Kleinstädten. Aber die Dynamik des Höfesterbens, des Strukturwandels im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft, des Flächenverbrauchs z.B. durch den Neubau größerer Wirtschaftsgebäude und der Ausweitung von Industrie- und Baugebieten ist ungebrochen. In NRW gehen aktuell täglich ca. 15 ha landwirtschaftliche Fläche und 3 Höfe verloren. Diese Entwicklung zerstört neben alter Bausubstanz und tradierter Natur insgesamt ein lebenswertes Landschaftsgefüge. Damit stehen Fragen der historischen und ästhetischen Wertigkeit des Profils von Landschaften und geschlossener Ensembles, konkreter Gebäude und durchaus auch einzelner Bauelemente im Raum. Ein Forschungs- und Informationszentrum für historische ländliche Baukultur wird den gesellschaftlichen Diskurs über den Erhalt der historischen und natürlichen Umwelt wach halten und kann Antworten zur Verfügung stellen. Die Sensibilisierung für die tradierte Kulturlandschaft und die Inwertsetzung münsterländischer Baukultur, die von außen angestoßen werden muss, sind ein dringendes Desiderat für die Zukunftsentwicklung der Region. Nur Städte und Regionen, die sensibel alle Facetten ihrer langen Geschichte wertschätzen und mit ihrem historischen Raum sorgfältig umgehen, haben verstanden, was es heißt, zukunftsorientiert zu leben. Ziele und Möglichkeiten Es ist überfällig, die skizzierten
Prozesse systematisch zu verfolgen und in der Breite der Bevölkerung
zu kommunizieren. Es bedarf einer privaten Initiative engagierter
Bürgerinnen und Bürger, sich gegen Unwissen und Ignoranz, gegen
Vergessen, Verfall und Abriss für eine intakte historische ländliche
Baukultur und den Erhalt einer vielschichtigen kulturlandschaftlichen
Umgebung einzusetzen. Ein entsprechender gesellschaftlicher Diskurs
muss, wo defizitär, angeregt und, wo bereits vorhanden, konstruktiv
mitgetragen werden. Auf einer solchen Plattform können Netzwerke
gepflegt werden und innovative Impulse Gesellschaft gestalten. Elemente der historischen Kulturlandschaft und Relikte, die Zeugnis ablegen und als Erinnerungsort taugen, sind oft nicht einfach zu erkennen. Sie müssen entdeckt, beschrieben und vermittelt werden. Der wissende Blick hinter die Fassaden einer heute hässlichen und scheinbar wertlosen Bauruine muss geschult und das Bewusstsein für Landschaftsqualitäten und die Bedeutung historischer Baukultur gefördert werden, um sie schützen zu können. Es gibt zahlreiche Beispiele gelungener Restaurierungen und erfolgreichen bürgerschaftlichen Engagements. Ihnen bietet das ‚Zentrum’ das Forum für Präsentation und Austausch. Hof Grube in Lüdinghausen-Tetekum ist eine solche besondere kulturelle Adresse, die Identitätsanker für ein Bewusstsein sein kann, das die Perspektive auf Burgen und Schlösser komplementär ergänzt. Die wissenschaftlich akribisch aufgearbeitete Vergangenheit der Hofstelle und der sorgfältige Wiederaufbau haben aus den zum Abriss vorgesehenen Hofgebäuden schließlich ein Baudenkmal „von nationaler Bedeutung“ – so der Landeskonservator für Westfalen-Lippe 2012 – geschaffen. Das Zentrum für historische ländliche Baukultur im Münsterland hat hier seine Vereinsadresse. Von hier aus kann es in enger Zusammenarbeit mit der überregionalen Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB) und mit zahlreichen regionalen Heimat- und Kulturvereinen seine Ziele und Zwecke (s. auch Satzung) angehen. Aufgaben und Leistungsspektrum 1. forschen – dokumentieren Auf der Basis hervorragender Detailkenntnisse des (Kern-)Münsterlandes wird das Zentrum Objekte von potentieller bauhistorischer und kulturgeschichtlicher Bedeutung aufsuchen, analysieren und gegebenenfalls angemessen dokumentieren. Dabei stehen nicht nur Bauernhäuser, sondern auch nichtlandwirtschaftliche Bauten (z.B. Landschulen, Landgasthäuser, Förstereien, Mühlen, Industriebauten wie Ziegeleien, Armenhäuser, Wohnhäuser) und die sogenannte Kleinarchitektur (z.B. Flurdenkmale, Wegmarken, Gartenhäuser, Einfassungen, Scheunen, Torhäuser, Grabmale) im Fokus. Das Zentrum kann eigene Forschungsfragen anregen und nach vorhandenen Kompetenzen und in Abstimmung z.B. mit den wissenschaftlichen Instituten der nahen Universitäten Münster und Dortmund und den Kleinmuseen der Region Forschungsprojekte zur historischen Bauforschung, Landschaftsökologie, Kulturgeschichte des Landes usw. auf den Weg bringen.
2. informieren – fördern Die Bereitstellung von Wissen über unbeachtete oder missverstandene ländliche Baukultur mit dem Ziel ihrer Inwertsetzung, also die Weitergabe unseres kulturellen Erbes und die Förderung von Kultur- und Geschichtsbewusstsein, ist eine didaktische Aufgabe. Ihr Kern ist eine inhaltlich und methodisch vielfältige Öffentlichkeitsarbeit, in der Fachwissen dem breiten Adressatenkreis interessierter Laien vermittelt wird.
3. diskutieren – mitgestalten Jeder Mensch verarbeitet Eindrücke der Landschaft, die Visualität von Baudenkmälern und erlebte Traditionen individuell. Unscheinbare Details werfen Fragen auf und können spannende Geschichten erzählen. Historisches Denken, das Interesse für ländliche Baukultur, die Liebe zu alten Häusern und das Engagement zur Rettung bedrohter Substanz wachsen diskursiv. Wenn nicht repräsentative Burgen, Schlösser und Kirchen betroffen sind, hat Denkmalschutz in der Öffentlichkeit oft ein Akzeptanzproblem. Das Zentrum kann Foren bieten, offene Fragen des Brückenschlags zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu klären und die gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber zu führen, was wert ist, erhalten zu werden und weshalb. Die Kompetenz der Mitglieder des Vereins macht es möglich, im Einzelfall Hilfen zur Instandhaltung zu geben und Möglichkeiten einer Umnutzung auszuloten.
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